Jahreskonzert 2008

Einerseits eine Tradition aufbauen, aber andererseits immer für eine Überraschung gut sein – so könnte man Dietmar Schrods Herangehensweise an seine Konzerte mit dem Blasorchester Dreieich beschreiben. Für das Erste sorgt der Auf– und Ausbau einer fähigen und verlässlichen Basis bei den Musikern des Orchesters, für das Andere eine jedes Mal gelungene Ergänzung der musikalischen Darbietung um einen überraschenden Aspekt. Und dieses mal konnte das Publikum im restlos ausverkauften Bürgerhaus Sprendlingen gar einer Art von „Grenzüberschreitung“ beiwohnen, wurde doch das Medium des sinfonischen Blasorchesters mit einer so weit entlegenen Gattung wie der Oper und der Operette kombiniert – weit entlegen, aber nur auf den ersten Blick!Zuvor jedoch – ganz traditionsgemäß – stand sozusagen die Zukunft des Blasorchesters auf

 

Zuvor jedoch – ganz traditionsgemäß – stand sozusagen die Zukunft des Blasorchesters auf der Bühne: Das Jugendorchester eröffnete den musikalischen Nachmittag und die Mitglieder, darunter vier Neuzugänge, moderierten ihre Beiträge ohne eine Spur Lampenfieber wie gewohnt selbst an. Zwar war der Dirigent Markus Petri durch Krankheit kurzfristig ausgefallen, doch brachte dies die jungen Musiker unter der Leitung des eingesprungenen Frank Weber nicht aus der Ruhe, lediglich die Programmfolge geriet krankheitsbedingt etwas durcheinander. Bereits in der ersten Nummer, einem wirkungsvoll arrangierten Medley des bekannten „High School Musical“ aus den Disney – Studios, bewies der orchestrale Nachwuchs mit sauberer Intonation, sicheren Einsätzen und deutlicher Dynamik, dass mit ihm durchaus zu rechnen ist. Gestärkt wurde dieser hervorragende erste Eindruck im folgenden „My Way“ durch Jaqueline Contés Trompetensolo sowie durch das sehr gut ausgeführte „Young Life“, einem effektvollen Bläsersatz von Manfred Schneider, bei dem vor allem die rhythmischen Variationen der getragen melodischen Motive überzeugten. Zweifellos die beste Darbietung dieses ersten Programmteils! Bei dieser hervorragenden Jugendarbeit zu der man das Orchester nur beglückwünschen kann, darf man sich jedenfalls auf viele weitere Jahre erfolgreicher musikalischer Arbeit freuen!

Der Hauptteil des Konzerts wurde nun vom großen Blasorchester unter der Leitung von Dietmar Schrod übernommen und die Moderation ging an Jürgen Groh, der wie immer souverän, humorvoll und informativ durch das diesmal recht anspruchsvolle Programm führte, denn jetzt begann
„Ein Abend in der Oper“, so das Motto des Konzerts. Und da zur Oper Sänger gehören, hatte Schrod mit Daniel Sans auch gleich einen hochkarätigen Tenor von nationalem Rang aufgeboten. Für beide Seiten eine Premiere, denn weder hatte das Orchester jemals mit einem reinen Opernsänger
zusammengearbeitet, noch dieser jemals mit einem Laienorchester. Vorwegnehmend darf jedoch gesagt werden, das die Zusammenarbeit für beide Parteien so gedeihlich verlief, dass Sans das Blasorchester spontan zur Teilnahme an einem seiner eigenen Chorkonzerte einlud.
Der Opern– und Operettenreigen begann im „Largo religioso“ mit schweren und starken Tönen, dem passacagliahaften Finale des ersten Aktes aus Giacomo Puccinis Erfolgsoper „Tosca“, in dem der üble römische Polizeichef Baron Scarpia seine ganze sadistische Bosheit musikalisch auslebt,
hier leider noch ohne Sänger, ist Scarpia doch eine Baritonrolle. Doch dann erklang erstmals Daniel Sans als Scarpias Opfer Mario Cavaradossi mit „Recondita armonia“, ebenfalls aus dem ersten Akt der "Tosca“, und gleich war klar, dass hier tatsächlich ein hervorragender Sänger am Werk war, der den Spitzenton b bei „Tosca sei tu!“ klar, ohne übertreibendes Vibrato und ohne Anstrengung aber mit wunderbarer weicher Farbe erklingen ließ. Den Beschluss des ersten Teils stellte wiederum Puccini, der mit Calafs „Nessun dorma“ aus der unvollendeten Oper „Turandot“ die wohl schönste aber auch zugleich kürzeste Tenorarie geschaffen hat. Auch hier überzeugte Sans ohne Einschränkungen und lies die einzige Schwäche dieser ersten Hälfte vergessen: So ganz ungestraft beschneidet man nämlich einen Großmeister der sinfonischen Instrumentierung nicht. Auf der instrumentalen Ebene konnte keine der drei Bearbeitungen ganz überzeugen, ganz einfach weil sich das umfangreiche Puccinische Orchester mit seinem fast unendlichen Klangvorrat nicht verlustfrei reduzieren läßt. Das allerdings ist ein Problem der Arrangeure, keines des Blasorchester oder des Sängers, denn die machten ihre Arbeit unter Dietmar Schrods erfahrenem und sicherem Dirigat hervorragend.

Zwischen den zwei Gesangsnummern lag dann auch noch ein Beispiel einer rundherum gelungenen Übertragung, das Finale aus Antonin Dvořáks 9. Symphonie. Hier vermisste man nichts. Von seinem desaströsen Amerikaaufenthalt brachte der „böhmische Brahms“ zwar keine großen Geldsummen mit nach Hause aber viel Musik und als Hauptwerk seine 9. Symphonie. Und gerade der Finalsatz mit seinem prägnanten Hornthema und den dominierenden Holzbläsern eignet sich hervorragend zur Bearbeitung für Blasorchester. Markus Knöchel, der hervorragende Vizedirigent, setzte hier durchaus eigene Akzente mit kräftig zupackendem Rhythmus, doch blieb selbst in den lautesten Passagen der vielschichtige Satz stets gut durchhörbar! Das Orchester reagierte hier, wie auch in allen anderen Beiträgen präzise und souverän, jederzeit Herr der Lage. Nach der Pause verschob sich der Schwerpunkt zwar etwas mehr in Richtung leichtere Muse, doch heißt das nicht, dass die Ansprüche an Sänger und Instrumentalisten zurückgeschraubt wurden, im Gegenteil: Der tückische Rhythmus in der Ouvertüre zu Gioachino Rossinis „Wilhelm Tell“ tut spielerisch und geht leicht ins Ohr, ist aber im geforderten Allegro – Tempo immens schwer durchzuhalten! Hier waren auch die einzigen kleinen Konditionsschwächen des Orchesters festzustellen: Die typisch Rossinischen, federnden Tonrepetitionen haben es wirklich in sich!

Auch das berühmte Trällerliedchen „La donna é mobile“ aus Giuseppe Verdis „Rigoletto“ ist nur scheinbar leicht, singt es der verhasste Herzog doch
voller guter Laune, während Rigoletto seine tote Tochter entdeckt. Aus der Oper herausgelöst aber wirkt es gänzlich ohne düstere Untertöne schlicht gut gelaunt, Verdis Bandamusik passte dem Blasorchester wie angegossen und Daniel Sans lies an seiner stimmlichen Disposition wiederum
keinen Zweifel aufkommen. Erst recht nicht natürlich bei „Dein ist mein ganzes Herz“ aus Franz Lehárs Operette „Das Land des Lächelns“. Lehár schrieb Arien wie diese seinem Freund, dem großen Tenor Richard Tauber, geradezu auf die Stimmbänder und ebenso klangvoll sind sie dann auch: Die Tenorstimme bleibt immer in ihren besten und sonorsten Lagen, wird nie überfordert und somit erhält man auch immer ein großartiges Ergebnis – vorrausgesetzt ein Sänger vom Range eines Sans nimmt sich dieser Musik an und hält ihre überbordende Emotion im Zaum. Ohne Sänger glänzte wiederum das Blasorchester beim berühmten Einzugsmarsch aus „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauß sowie einem fabelhaft geschriebenen Medley aus George Gershwins „Porgy and Bess“. Den Abschluss bildete „Samba de Aida“ von Toshio Mashima, ein augenzwinkerndes swingendes Spiel mit den bekanntesten Motiven aus Verdis gleichnamiger Oper, sehr dicht gesetzt und mit gelungenen konzertierenden Einwürfen gesprenkelt. Das das Publikum die Musiker am Ende natürlich nicht ohne Zugaben entlasen wollte, war klar, doch das es gleich vier wurden zeigte, wie sehr das Konzert
begeistert hatte: Zweimal war Daniel Sans noch zu hören, mit dem Wolgalied aus Franz Lehárs „Der Zarewitsch“ und dem Trinklied aus dem ersten Akt von Verdis „La Traviata“, das Orchester mit "White Christmas“ sowie einer Wiederholung des Einzugsmarschs.

Zusammenfassend bekamen die Zuhörer ein wirklich gelungenes und außergewöhnliches Konzert mit einem glänzend aufgelegten Tenor zu hören und einem Blasorchester, das, eigentlich wie jedes Jahr, unter der beispielhaften Leitung Dietmar Schrods seine große Qualität unter Beweis stellte
und bei dem man sich jetzt bereits auf das nächste Jahr freuen darf.

Clemens Rech