Jahrskonzert

 

In 80 Minuten um die Welt Vor der Tür windiges Herbstwetter, viele Wolken und Regen – braucht man mehr Gründe um eine Reise in sonnigere Gefilde anzutreten? Eine Reise um die ganze Welt, wenn auch nur in 80 Minuten versprach das Blasorchester Dreieich seinem Publikum beim Jahreskonzert am 1. Advent und löste sein Versprechen auf begeisternde Weise ein. Eine wirklich gute Tradition ist mittlerweile der Auftritt der allerjüngsten Musiker im „Beginner Ensemble“ das die Weltreise in Holland startete. Zwei kurze humorvolle Stücke Jan de Haans, „The Music Mill“ und „Cyclist in Moscow“ sowie Kees Vlaks „Sun Calypso“ erklangen unter der Leitung Sascha Kotzerkes und warfen ein glänzendes Licht auf die Jugendarbeit des Vereins. Mit Enthusiasmus und hörbarer Freude am Spiel wie am Auftritt präsentierte der orchestrale Nachwuchs sein Programm, das den Zuhörern mindestens ebenso viel Spaß bereitete wie den jungen Musikern und natürlich mit „Rudolph, the Rednosed Reindeer“ eine Zugabe erforderte. Gekonnt launische Kommentare von hohem Unterhaltungswert sind mittlerweile das Markenzeichen Phillipp Schaubs, der auch den nächsten Reisebegleiter, das Jugendorchester anmoderierte. Markus Petri leitete die jugendlichen Musiker, die bereits deutlich schwierigere Arrangements bekannter Kompositionen darboten. Medleys aus James Horners unvergessener Musik zu „Titanic“ sowie zu „Frozen“ des Komponistengespanns Beck/Lopez erklangen und als Zugabe ein Arrangement des wunderbar britisch-schrägen „Stop the Cavalry“ von Jona Lewis. Als Resümee bleibt mir zum wiederholten Male nur zu sagen: Diese Vereinsjugend ist ein glänzendes Aushängeschild und garantiert dem Blasorchester eine sichere Zukunft. Solche engagierte und erfolgreiche Jugendarbeit wünscht man häufiger zu hören! Hatte die Musik bisher sozusagen gerade einmal den Fuß vor die Tür gesetzt, so wurden jetzt mit dem Blasorchester Dreieich die Siebenmeilenstiefel angezogen und es ging auf die ganz große Fahrt, wie immer gekonnt, informativ und unterhaltsam von Jürgen K. Groh begleitet. Dietmar Schrod übernahm die Leitung und ließ mit „Around the World in 80 Days“ des österreichischen Film- und Fernsehkomponisten Otto M. Schwarz gleich ein mitreißendes Feuerwerk von Klangfarben und Rhythmen abbrennen, mit dem er Maßstäbe für das gesamte Konzert setzte. Schwarz kennt das sinfonische Blasorchester auf das Genaueste und läßt in seiner von Jules Vernes Roman inspirierten Komposition keine Möglichkeit ungenutzt, das Orchester zum Glänzen zu bringen. Erinnert das Londoner Thema noch etwas an John Williams, so entwickelt er im Lauf des Stücks eine durchaus individuelle und äußerst unterhaltsame Collagentechnik zur Charakterisierung der verschiedenen Städte und Länder. George Bizets Suite aus seiner Bühnenmusik zu „L´Arlesiénne“ ist völlig zu Recht ein unsterblicher Hit der französischen Musik des 19ten Jahrhunderts und durch seine Gegensätze von dramatischen und lyrischen Passagen nicht einfach umzusetzen. Schrod und seinem Orchester gelingt es aber auch hier, den großen dynamischen Umfang der Musik packend zu vermitteln. Dennoch merkt man der Musik an, das sie nicht aus dem Blasorchester heraus komponiert ist. Dies ist wieder der Fall bei Mario Bürkis „Pompeji“, ebenso eine von einem gleichnamigen Roman inspirierte Musik, hier lieferte Robert Harris die Vorlage. Und ebenso farbig und vielfältig gelingt sie dem Komponisten. Trotz der dramatischen Vorlage setzt auch Bürki teils auf humorige Collagen wie zum Beispiel eine Tarantella, mit der er das Treiben der großen Stadt charakterisiert. Am überzeugendsten sind Schrod und seine Musiker in den rhythmisch und dynamisch exaltierten Passagen in denen das Orchester druckvoll und mit viel Drive musiziert. Ein gelungener Ausklang der ersten Konzerthälfte! Zu Beginn des zweiten Teils übernahm Markus Knöchel den Baton von Dietmar Schrod und bewies, dass er auch dieses schwierigste Instrument beherrscht. Mit Kees Vlaks „Tokyo Adventure“ hatte er sich und dem Orchester eine umfangreiche und anspruchsvolle Aufgabe gestellt und grandios bewältigt: Vlak zeichnet ein durchaus ernsthaftes und vielschichtiges Klangbild der japanischen Metropole und setzt hierzu alle musikalischen Mittel ein, die das Blasorchester diesem hervorragenden Kenner des Mediums bietet. Zwar finden sich einige kurze asiatische Klangklischees, diese sind jedoch gezielt eingesetzt, nicht etwa Verlegenheitslösungen. Mit entspannteren Klängen etwas leichterer Muse ließ Dietmar Schrod den Nachmittag ausklingen: Jimmy Webbs „MacArthur Park“, ein unvergessener Hit der Discozeit der frühen siebziger Jahre des 20ten Jahrhunderts, und Harald Kolaschs enorm effektvolles Arrangement des Spirituals „Joshua fit the Battle of Jericho“ wärmten das Publikum noch einmal vor, ehe Gerald Oswalds „Mambo Americano“ dann alle Facetten des Orchesters in einer Originalkomposition auslotete und zudem der Rhythmusgruppe Gelegenheit zum Glänzen gab. Ein Medley mit Kompositionen des mexikanischen Rockgitarristen Carlos Santana beendete das Programm, wobei der Klang einer E-Gitarre der Musik den authentischen Touch gab und ein hochzufriedenes Publikum zurücklies, das vor dem alljährlichen Erklingen der Weihnachtshymne „White Christmas“ zurecht erst noch zwei weitere Zugaben forderte. Bleibt den hervorragenden Musikern nur eines zu wünschen: Viel Freude bei den Proben zum Konzert im nächsten Jahr! Clemens Rech